Donnerstag, 16. April 2015

Vierkanttretlager - KRIEG & KRIEG (Album Review)

Noch immer stehen ihre ersten Songs auf MySpace, verlassen und einsam, wie ihre Heimatstadt Husum im Winter. Noch ohne Casper erklingen hier, auf den Ruinen eines Internetriesen der Nullerjahre die ersten Songs einer Band, die den langen Weg aus den Jugendzentreten der Heimat, über Hamburg bis in die ganze Republik ab morgen mit einem weiteren Album antritt. MySpace ist schon lange gestorben, Vierkanttretlager blühen auf wie Kaktusblüten.


KRIEG & KRIEG ist der Name des neuen Langspielers und gleichzeitig des Eröffnungssongs. Von einer lauten, harten Instrumentalisierung hinterlegt, besingt ein wütender Max Leßmann die Absurdität, dass die Menschen im Krieg wenigstens das Leid teilen. Das Lied zeigt die allgemeine Richtung des Albums an, das den Nachfolger des 2012 erschienenen Die Natur greift an darstellt. Ein wenig härter als der Vorgänger, ein wenig wütender und trotzdem ähnlich emotional. Die Betonung liegt nun nicht mehr auf der Menschwerdung und die Thematik ist weniger tief verankert in der coming-of-age und coming-to-city Problematik, wie es noch im Debüt der Fall war.


Als Konstante schiebt sich immer wieder Leßmanns lyrische Präsens in den Mittelpunkt und schafft es mit präzisen Worten Situationen so banal, wie sie nun einmal sind, und doch so ausführlich zu umreißen, wie es wenige Künstler schaffen. Weniger nordisch, aber nicht weniger passend, verhält es sich dieses Mal mit der Instrumentalisierung. Das Akkordeon weicht dem exzessiven Flanger oder wie in Der letzte Satz der Welt der Orgel. Nachdem im Hauptteil die sanften Orgelklänge hinter dem Schlagzeug verschwinden, erinnert der Song tatsächlich mehr an Findus, als an Vierkanttretlager des ersten Albums.

Doch auch wenn die Großstadthärte die nordische Rauheit an den Rand des Geschehens gedrängt hat, finden sich auch auf KRIEG & KRIEG vertraute Klänge und Songs in denen Max Leßmann auf ein neues unter Beweis stellt, das er die seltene Kunst beherrscht, Poetik, Pathos und Kitsch in Texte zu verpacken, denen all dies nicht im geringsten übel nimmt.
Auf die Spitze getrieben werden die Song gewordenen Gedichte allerdings in dem in der Deluxe Edition des Albums beiliegenden Hörbuch, geschrieben und eingesprochen von Leßmann selbst. Das Hörbuch polarisiert. Entweder man flüchtet vor den Klischees, die hier aneinander gereiht werden oder man kriegt Gänsehaut. Bei mir war es eher das Zweite und ich finde das ganze eine schöne Idee und empfehle jedem sich die Ausschnitte auf Youtube anzusehen.

Insgesamt ist zu erkennen, wie die sowieso schon immer sehr ernste Band aus der grauen Stadt, in den letzten Jahr unausweichlich gereift ist und ein Album geschaffen hat, das sich nicht zu verstecken braucht. Lieder wie 34 Narben und Schweigen gehören wohl zu den besten Stücken auf KRIEG & KRIEG, obwohl oder gerade weil sie so schön leise daher kommen.



Krieg & Krieg erscheint am 17.04.2015  bei Buback

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